Rolf Stolz     · · ·     Literatur und Photographie

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TAGEHEFT

ZUM TAGEHEFT
In den Tageheften habe ich seit dem 1. Mai 2011 Tag für Tag festgehalten, was mir wichtig war - in einem oder mehreren Sätzen. Hier im Netz sind diese Texte seit April 2013 erschienen. Das erste Tageheft (2011-2012) ist 2016 als Buch erschienen, das zweite (2013-2014) 2017, das dritte (2015-2016) 2018, das vierte (2017-2018) 2019 (siehe unter AKTUELLES).

31. Januar 2022
Stabilisieren wir uns durch Ausschlag zwischen den Extremen, können wir so aufrecht bleiben?

30. Januar 2022
Ist erhöhte Sicherheit ohne Betäuben von Instinkten und ohne Degeneration zu haben?

29. Januar 2022
„Ich denke, also bin ich nicht.“ Descartes war mit seiner Denkakrobatik außerhalb des Seins (im strengen parmenidischen Sinn). Er war auch außerhalb der Gegenwart, denn der Denkakt rekurriert auf das Vergangene und projiziert in die Zukunft, während er sich der Gegenwart, die reines Wahrnehmen und Handeln ist, entzieht.

28. Januar 2022
Die Kunst an Zuhörern, Zuschauern und Lesern zu messen, ist vermessen im Sinn des Maßlosen und des unzureichenden Messens.

27. Januar 2022
Eine Kunst, die mehr braucht als ihren Schöpfer, oszilliert zwischen Armut und Leere.

26. Januar 2022
Welch ein Glück es ist, ein gemäßigter Autist zu sein. Aber wie jedes Glück setzt es uns Grenzen.

25. Januar 2022
Notiz zu Platens Gedichten, in den sechziger Jahren aufgeschrieben, aber noch immer für mich in Geltung: „verse, hoch radioaktiv, gefoltert zuckend – lichteres licht über dem breiten verfall“.

24. Januar 2022
Isolation, Einsamkeit und Randständigkeit sind die Produktionsfundamente des Lyrikers, selbst wenn er in manchem dazu gegenläufig lebt.

23. Januar 2022
Auf das erledigte Jahrtausend folgten die Nuller- und Nullitätenjahre.

22. Januar 2022
Er zähmte sich und wurde zum Haustier.

21. Januar 2022
Unvermeidlich ist die Freundlichkeit der Aristokraten eine andere als die Freundlichkeit der einfachen Leute. Jene ist sehr viel verwickelter.

20. Januar 2022
Was erwarten wir von einer Polizei, die laut eigener Aussage und vorherrschendem Staatsverständnis nicht in der Lage ist, gegen Kinder vorzugehen, die immer wieder Autobusse attackieren? Was erwarten wir, wenn diese Früchtchen, deren ethnischer und sozialer Hintergrund nicht berichtet wird, aber mit relativer Sicherheit vorhersagbar ist, den Erfolg für sich verbuchen können, daß die Busgesellschaft wegen ihnen die Route geändert hat? Man hat wie so oft die Wahl, zu Anfang mit einigen Nasenstübern und blauen Flecken eine wirksame Lektion zu erteilen oder auf die lange Strecke mit blutigen Folgen rechnen zu müssen.

19. Januar 2022
Auch die, die momentan obenauf sind und das dazu benutzen, alle möglichen Feinde ins Gesicht zu schlagen, sollten den Tag fürchten, an dem sie in Unterzahl und unterlegen sind.

18. Januar 2022
Der anglikanische Priester, der ein katholischer Kardinal geworden war, erwartete Höllenstrafen.

17. Januar 2022
Mitleid zu haben und zu fühlen ist das blanke Gegenteil zum Äußern und Ausdrücken von Mitleid.

16. Januar 2022
Wie sehr die Kinder der Verfolgten immer noch leiden, wenn die Verfolgungen gezeigt werden und wie sehr die Kinder der Verfolger es genießen, wenn sie sich vor dem Bildschirm allen, auch ihren Vorfahren, überlegen fühlen können.

15. Januar 2022
Wie erbärmlich die, die sich entschuldigen, daß sie von einem „Dienstmädchen“ oder einem „Knecht“ sprechen in einem Bericht über die Vergangenheit. Welch ein Genuß, verfemte Worte zu gebrauchen.

14. Januar 2022
Dem sparsamen Nachfolger, der das grandiose Würzburger Hoftheater wieder abreißen ließ, hätte man vor Amtsantritt in einer dunklen Nacht und in einer dunklen Gasse dazu verhelfen müssen, sich die Einsparung zu ersparen.

13. Januar 2022
Zwischen den Sternen und dem Alltagsschlamm der Sonnentaumel der Wortmücken.

12. Januar 2022
Soviele Wegzeichen, selbst die Sternzeichen, die doch aus einer anderen Welt stammen. Wir alle suchen Hilfe von oben.

11. Januar 2022
Was möglich ist, kann zur Wirklichkeit werden. Aber wie sollte aus einer Wirklichkeit eine Möglichkeit werden? Auch ihr Andauern erzeugt keine Potentialität und Zukünftigkeit.

10. Januar 2022
Jene Liebe, die unter die Haut geht (jene seltene), läßt uns aufheulen.

9. Januar 2022
Kommen und Gehen, ADIEU und HALLO durcheinander. Selbst die Eindeutigkeiten so mehrfachdeutig.

8. Januar 2022
Die meisten Künstler bringen sich und ihren Angehörigen wenig auf den Tisch und den sonstigen Armen erst recht nichts. Wenn ihre Schöpfungen aus Stein und Gold teuer genug werden, dann nehmen sie durch ihre Auftraggeber den Armen sogar noch einiges an Brot und Auskommen. Vielleicht liegt hier ein Teil der Erklärung für die meist unbewußte aggressive Antipathie so vieler gegen die Kunst und die Künstler.

7. Januar 2022
Ist es ungerecht, wenn die Faulen, Lahmenden, Zurückbleibenden unter den Schlitten kommen? Wenn es das wäre, würde das etwas am faktischen Verlauf ändern?

6. Januar 2022
Wir hatten damals geglaubt, der Pöbel bliebe ängstlich zuhause, während das revolutionäre Proletariat in den Kampf zog. Wir unterschätzten, über wieviel tollkühnen Mut manche Diebe, Vergewaltiger und Totschläger verfügen.

5. Januar 2022
ELITE: Ein Doppelwort, verfälschend und verdummend gebraucht als Werbename für durchschnittliche Kaufhof-Qualitäten und noch absurder für den von niemandem ausgesuchten obenauf schwimmenden Kommandantendreck. Andererseits mehr als lebensnotwendig für die notwendige harte und klare Auswahl der Besten.

4. Januar 2022
Welch ein Genuß, unbekannt zu bleiben (auch denen, deren Todfeindschaft garantiert wäre) und den Kollateralschäden des Ruhmes zu entgehen.

3. Januar 2022
Was auch kommen mag … Wenn aber nur der Tod noch kommen kann.

2. Januar 2022
Sie, die auf dem Bauch aufwachsen, ständig vom Ertrinken im Flachwasser bedroht, möchten, daß wir auf Augenhöhe mit ihnen sprechen.

1. Januar 2022
Wir brauchten lange, bis uns der Schrecken unter der Haut erreichte und wir erschraken.

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