Rolf Stolz     · · ·     Literatur und Photographie

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TAGEHEFT

ZUM TAGEHEFT
In den Tageheften habe ich seit dem 1. Mai 2011 Tag für Tag festgehalten, was mir wichtig war - in einem oder mehreren Sätzen. Hier im Netz sind diese Texte seit April 2013 erschienen. Das erste Tageheft (2011-2012) ist 2016 als Buch erschienen, das zweite (2013-2014) 2017, das dritte (2015-2016) 2018, das vierte (2017-2018) 2019 (siehe unter AKTUELLES).

31. August 2021
Was aus dem anfänglichen Wort geboren ist, ist unvergänglich.

30. August 2021
Bleibt den Vertriebenen und Verlorenen in ihrem verzweifelten Blick zurück anderes als das Ressentiment?

29. August 2021
Mit Begeisterung von MOHREN, NEGERN, ZIGEUNERN, INDIANERN sprechen und schreiben. Gegen die Verbieter hilft nur die harte Provokation. Was 1968 die nackten Brüste oder die roten Fahnen waren, sind heute Worte, die hoffentlich schmerzen.

28. August 2021
Die vergebliche Hoffnung der Polen, Deutschland in Polen auslöschen zu können durch das Beseitigen von Spuren, die immer auch auf Verbrechen hinweisen. Nur die Spuren der deutschen Verbrechen zu konservieren, bedingt angesichts der Leerstellen und des Verschweigens sofort die Nachfrage: „Und wo haben Eure Verbrechen ihre Zeichen und Gaunerzinken hinterlassen?“ Die Buchstaben der deutschen Worte mögen verschwunden sein, aber das Wort müssen sie stehen lassen. Selbst die Franzosen haben im Elsaß einzelne Zugeständnisse gemacht, allerdings meist nur für den Dialekt und stellen dann doch verwundert fest, daß dies nicht allen Elsässern reicht und der totgesagte Autonomismus nicht tot ist.

27. August 2021
Versuche, stets möglichst gewaltlos hinzukommen, zur Not mit kurzen gezielten Gewaltakten! Die Bande, die an nichts glaubt und der nichts heilig ist, wird dir allerdings diese Absicht auf gar keinen Fall glauben. Aber für diejenigen guten Willens sollte es gesagt sein – für die, die denken können und denken wollen.

26. August 2021
Ich erkläre zum wiederholten Male und hier noch einmal, daß ich weder Krieg noch Gewalt will, sondern sie zu vermeiden und zu verhüten suche. Es wird nichts helfen, weder gegen die Verleumder noch gegen die Gewalttäter.

25. August 2021
Die unausrottbare Neigung des intellektuellen Pöbels, für Kriege und Gewalt nicht die herrschenden Gewalten verantwortlich zu machen, sondern die Denker und Schreiber vom anderen Ufer und gewisse verbotene Wörter.

24. August 2021
Der Rückzug hat nur dann einen Sinn, wenn es gelingt, die zurückverlegte Front zu stabilisieren und die Grenze zu halten, wenn der Feind dort aufgibt, auf die fehlenden Bissen verzichtet und sich abfinden läßt.

23. August 2021
Wer will es hellsichtigen Clairvoyants in Europa verdenken, daß ihnen die Araber und Afrikaner auf unseren Straßen erscheinen als vorwarnende Schreckgespenster einer am Horizont sichtbar werdenden schwarzen Zukunft? Man möchte unrecht behalten.

22. August 2021
Ja, es war ein Präventivkrieg gegen einen drohenden Angriff. Und doch hätte man den Angriff abwarten müssen, der neue Fakten und neue Fronten geschaffen hätte. Aber zur Wahrheit gehört auch, daß jeder Anführer, und sei er der gütigste und unzweifelhaft gewählte, in einer zugespitzten Situation dem für sein Volk gefährlichsten Angreifer vieles opfern muß – Feinde, Neutrale, sogar Verbündete. Es ist eine bittere Wahrheit, aber es gibt nun einmal keine süßen Wahrheiten.

21. August 2021
Man kann sich sein Land nicht aussuchen. Wer in einem fragilen Mittelland unfähig ist, die Einkreisung zu durchbrechen und den Zweifrontenkrieg zu vermeiden, dem darf keine Macht übertragen werden. Gefährlich sind dabei besonders die Ideologen mit ihren vorgefaßten eisernen Beurteilungen.

20. August 2021
Es ist tragisch und komisch, daß junge Neonazis diesem Bankrotteur ihr Leben weihen wollen. Wenn ihnen schon der Sinn für Moral wie für Ästhetik fehlt, so sollten sie wenigstens fähig sein, den nur zeitweise erfolgreichen Erfolglosen zu verachten.

19. August 2021
Die alten Familien hatten recht, einem hochbegabten Bankrotteur nicht ihre Töchter anzuvertrauen. Hatten sie eine gewisse Bonhommie, so beschied der Patriarch den jungen Mann, er möge, wenn er zehn Jahre ein Unternehmen erfolgreich geführt habe, erneut anklopfen. Adolf Hitler benötigte exakt diese zehn Jahre von der Reichskanzlei bis Stalingrad, um seine Befähigung zum Bankrotteur nachzuweisen.

18. August 2021
Für unbestellte Musik haftet der Musikant.

17. August 2021
Freiwillig und für sich kann der Künstler für Tierschutz plädieren oder für langsames energisches Kauen der Nahrung, aber als Künstler hat er dazu keine Verpflichtung, genauso wenig zu den allfälligen demokratischen Turnübungen.

16. August 2021
Der Trost der Kunst ist die Kunst, die pure Kunst, nicht ihre gelegentlichen tröstenden Worte.

15. August 2021
Die Gottesbeweise verwirren die Verschwurbelten und die Halbherzigen. Aber auch ihre gigantische Summe durch die Zeiten hindurch, durch alle Jahrhunderte der Jahrhunderte, ergibt zwar einen gewaltigen Hinweis, aber keinen Beweis. Es gibt für jeden Menschen seine Gründe für seinen Glauben und die Hinweise, die er sich nimmt. Es gibt keinen Beweis und es braucht keinen.

14. August 2021
Früher begann man seine einfache Laufbahn bei der Bahn in der Rotte, an und zwischen den Gleisen. Unseresgleichen beginnt in der Rotte Thomas, des Nachfragers, und arbeitet sich von da aus vor.

13. August 2021
Der böse Wille ist zerstörerischer als böse Gedanken.

12. August 2021
Die Spinnenden bestehen darauf, nur so, mit dieser korrekten Form und nicht etwa als Spinner angesprochen zu werden.

11. August 2021
Ein Nachruf muß der Ehrung des Toten dienen oder er muß schweigend sein. Nur die Lumpen rufen Schmähungen nach, und dies gerade deshalb, weil ein Toter sich nicht wehren kann.

10. August 2021
Zorn ist eine Fluse auf der Außenhaut des Unabänderlichen.

9. August 2021
Unsere Fehler: Welch ein Spiegel unseres Selbst, aber wie sehr wir uns wehren hineinzusehen!

8. August 2021
Asynchron zu sein zum Gang der Welt ist eine Grundbedingung für den Lyriker und für die Prozesse, die durch ihn ihren Durchgang finden.

7. August 2021
Für sich zu bleiben, für sich zu schreiben – das ist das Schicksal der Lyriker, ihre knappe Berufsbezeichnung.

6. August 2021
Wäre, was wir tun und erleiden vorhersehbar, dann würden wir die Hände in den Schoß legen und den Zuschauer spielen.

5. August 2021
Mit einiger Anstrengung ist es möglich, daß nichts wächst. Aber dafür zu sorgen, daß nur das Erwünschte durchkommt, ist unmöglich.

4. August 2021
Der Ausgangspunkt im Zeit-Raum ist nie wieder erreichbar. Das Nullsummenspiel einer Rückkehr, selbst wenn der nächste Raum ansteuerbar wäre.

3. August 2021
Über Kranke sollte man sich nicht lustigmachen, es sei denn, sie behaupten wider besseres Wissen, gesund zu sein.

2. August 2021
Es wird Zeit, daß die Römische Kirche im Zuge einer Seligsprechung zu Lebzeiten genauer klärt, wie aus Fräulein Antje Hornscheidt aus Velbert, noch dazu ganz ohne Seelenwanderung und Seelenumsturz, das geschlechtslose Wesen Lann Hornscheidt werden konnte. Da diese Art von Geschlechtslosigkeit bzw. Übergeschlechtlichkeit den Engeln vorbehalten zu sein scheint, wäre hier zum ersten Mal ein Lebender verengelt worden, noch dazu unter Gewinnung übermenschlicher Weisheit, wie dies durch die Ernennung zum Profex und zusätzlich kürzlich zum Profens Drens (hier in ungepunkteter Rechtschreibung) bezeugt wird.

1. August 2021
Manche Leute kehren aus Grundsatz nur vor fremden Türen.

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