Rolf Stolz     · · ·     Literatur und Photographie

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TAGEHEFT

ZUM TAGEHEFT
In den Tageheften habe ich seit dem 1. Mai 2011 Tag für Tag festgehalten, was mir wichtig war - in einem oder mehreren Sätzen. Hier im Netz sind diese Texte seit April 2013 erschienen. Das erste Tageheft (2011-2012) ist 2016 als Buch erschienen, das zweite (2013-2014) 2017, das dritte (2015-2016) 2018, das vierte (2017-2018) 2019 (siehe unter AKTUELLES).

31. Dezember 2021
Das Vernichten der Vergangenheit wird nach und nach die Vernichter vergiften.

30. Dezember 2021
War 1453 gerecht, war es gut? Eine kindische Frage, ebenso kindisch wie die Erwartung, die Bögen und Säulen der Hagia Sophia würden die muslimischen Okkupanten erschlagen.

29. Dezember 2021
Sehr selten liegen Schätze auf den Straßen. Ihr gewöhnlicher Platz ist irgendein unbekannter Ort.

28. Dezember 2021
Die Gleichmachung kommt von außen, von der großen globalen Maschinerie - auch dort, wo es ihr gelingt, ein innerliches Sich-Angleichen anzustoßen.

27. Dezember 2021
Die Toten gleichen sich unbedingt in ihrem Tot-Sein.

26. Dezember 2021
Wir sind so ungleich, warum solten wir wünschen, im Leben gleich zu sein.

25. Dezember 2021
Dem ersten, dem es gelingt, das Schicksal zu durchgängiger Gerechtigkeit zu bewegen, sollte ein Preis verliehen werden. Allerdings erübrigen sich in diesem Falle Rückstellungen für das Preisgeld.

24. Dezember 2021
Kosten, Mißerfolge, Niederlagen sind nicht einzusparen, es sei denn um den Preis absoluter Untätigkeit.

23. Dezember 2021
„Ich weiß im Grunde nichts“, sagte er, „denn ich weiß nur etwas von allem, aber da ich nicht alles weiß, weiß ich nichts darüber, wie mein Gewußtes sich einordnet in das Gefüge der Welt, also habe ich nur Sandkörner im Treibsand, die mir aus den Händen entgleiten.“

22. Dezember 2021
Wenn jemand wie Goldhagen bei den Ursachen des Faschismus und der Judenvernichtung die Wirtschaftskrise nennt und Versailles mit all den gebrochenen Selbstbestimmungsversprechen „vergißt“ – was soll man da von seinen Urteilen und seiner Urteilsfähigkeit halten?

21. Dezember 2021
Sollte man nicht die Opfer von Verbrechen vorbeugend verpflichten, in einen Opferfonds einzuzahlen, da doch in etwa jeder zweite von ihnen für neue Opfer verantwortlich ist – aus Rache, um des simplen Abreagierens willen, aus traumabedingter Gestörtheit.

20. Dezember 2021
Unvereinbar: Nachzudenken über unsere Zeit versus sie in tierischer Genügsamkeit zu reflektieren.

19. Dezember 2021
„Edel sei der Mensch …“ Die Heuchler leugnen den Irrealis, weil sie alles für möglich halten.

18. Dezember 2021
Wenn die „Drei Besoffskis“ sangen, daß Harald Juhnke ihr Idol sei, dann hat das seinen Bekanntheitsgrad und seinen Marktwert gesteigert, war aber keine Anerkennung irgendeiner Leistung, nicht einmal für die Leber aus Beton. Man konnte Verachtung für den Schauspieler und Unterhalter hinein- und heraushören. Andererseits beschrieb es bösartig eine böse Wirklichkeit. Würde man dies verbieten, würde man verlangen zu lügen. Die Wirklichkeit ist zutreffend nur so wiederzugeben, wie sie ist – in Teilen voller Haß und Gemeinheit.

17. Dezember 2021
Die moderaten Abbruchspezialisten weigern sich immerhin, längst gestorbene Künstler nach den Maßstäben unserer großartigen Gegenwart abzuurteilen, wollen diese aber zur Anwendung bringen bei allen Lebenden. Ihnen sei gesagt, daß lediglich zu tolerieren ist, dem Leser die sachliche Information zu übermitteln, es sei einer mit der und der Partei in Beziehung, daß aber jeder damit verbundene Angriff auf sein Werk eine Infamie darstellt.

16. Dezember 2021
Welche Groteske: Bekennende Rechte zitieren zustimmend Bert Brecht, während sich für links haltende Dummbeutel und Barbaren gegen jeden Dichter geifern, der eine Zeitlang oder länger auf der falschen Seite stand.

15. Dezember 2021
Ein Literatur- oder Kunstkritiker, der sich weigert, jedenfalls einige Künstler, deren Religion oder politische Präferenz ihm zuwider ist, positiv zu beurteilen, sollte Schreibverbot erhalten und im Straßenbau oder als Müllwerker zum Einsatz kommen.

14. Dezember 2021
Unsere Geschichte ist unser Eigentum. Wer sie auslöschen will, greift uns an und zwingt uns zur Notwehr.

13. Dezember 2021
Der saudische Scharfrichter sollte gegen all die Denkmalschänder, deren woker Cancel-Wahnzustand wenig an mildernden Umständen erbringt, zum Einsatz kommen.

12. Dezember 2021
Der, der sich verteidigen könnte, und sei es verzweifelt und aussichtslos, sich aber nicht verteidigt, sollte verdient abserviert werden.

11. Dezember 2021
Sie beklagen niemals die Einfälle und Annexionen ihrer Verbündeten in fremdem Land. Sie kommen bei ihrem Gezeter über den von der Volksmehrheit gebilligten Anschluß der unzweifelhaft russischen Krim an Rußland nicht auf die Idee, die Türken vertreiben zu wollen aus dem unzweifelhaft arabischen Syrien und die Festlandtürken aus dem unzweifelhaft überwiegend griechischen Zypern. „Wie konnten wir das vergessen und übersehen“, werden sie sagen, wenn erst Erdogan in Den Haag Platz genommen hat.

10. Dezember 2021
Der Staatsbankrott ist immer ein Anlaß, den Verfaulungsprozeß abzubrechen.

9. Dezember 2021
Die gewesenen Siege zählen am Tage des Sieges.

8. Dezember 2021
Das Geheimnis der langlebigen Völker: Sie übersteigern ihre Besonderheit, bis sie unverträglich sind für ein Angleichen und Einschmelzen.

7. Dezember 2021
Selbst die Reife ist nicht alles. Die Überreife ist dafür Beleg genug.

6. Dezember 2021
Nahrungssuche der ungeduldig Hungrigen.

5. Dezember 2021
Auch die Wanzen waren als Opfer zu betrachten, als der Kammerjäger gerufen werden mußte.

4. Dezember 2021
Nicht recht zu haben, nicht beliebt zu sein, nicht anerkannt zu werden, aber sich zu behaupten und sich durchzusetzen.

3. Dezember 2021
Immer wenden wir uns ab von dem, was wir getan haben, blicken stattdessen in eine Zukunft, von der noch nichts zu sehen ist, die wir uns aber ausmalen als in alle Richtungen offen. Wir könnten wissen, was mit uns war, wollen es aber nicht wissen.

2. Dezember 2021
Welche Gefahr ist größer: Am Abgrund stehend hinabzuschauen oder aber sich umzuwenden und wegzusehen?

1. Dezember 2021
Was nicht kritisiert wird, ist falsch oder es wird falsch.

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