Rolf Stolz     · · ·     Literatur und Photographie

Romane · Kurze Prosa · Lyrik · Essays · Kinderbücher · Theatralisches
Künstlerische Photographie · Kopier-Kunst · (Material)Bilder



TAGEHEFT

ZUM TAGEHEFT
In den Tageheften habe ich seit dem 1. Mai 2011 Tag für Tag festgehalten, was mir wichtig war - in einem oder mehreren Sätzen. Hier im Netz sind diese Texte seit April 2013 erschienen. Das erste Tageheft (2011-2012) ist 2016 als Buch erschienen, das zweite (2013-2014) 2017, das dritte (2015-2016) 2018, das vierte (2017-2018) 2019, das fünfte (2019-2020) 2021, das sechste (2021-2022) 2023 (siehe unter AKTUELLES).

1. Oktober 2023
Am leichtesten und von allen Seiten her ist derjenige anzugreifen, der allein auf seinem Weg geht.

2. Oktober 2023
Glückliche Zeiten, als man im Schlager sich das Heranlassen an die Macht des Dicken mit der Zigarre wünschen konnte. Eine hochgestellte, sogar gelegentlich in Parteifarbe gewandete Dame duldet allenfalls die Aussage, sie sei noch eine gewisse Zeit unterwegs zu Modellmaßen.

3. Oktober 2023
Das Nachdenken ist keine Jagd. Schnelligkeit garantiert Fehlschüsse und Fehlschlüsse.

4. Oktober 2023
DENKEN kann blitzartig, kann aphoristisch schnell sein. NACHDENKEN benötigt immer Ruhe und Zeit – wie das Nachschmecken eines exzellenten Weines.

5. Oktober 2023
Nur das Zustimmen zum landläufigen, generalisierten Schwachsinn läßt dich der Einsamkeit entgehen.

6. Oktober 2023
In jeder Diktatur bilden Dummheit und Denkverweigerung, sprich die freiwillige Anenzephalie, die Basis für den großen luftigen Bau des ideologischen Wahnsinns.

7. Oktober 2023
Jedem, der einem Wortkünstler eine Formulierung verbieten und eine andere aufzwingen will, sollte das Maul gestopft werden.

8. Oktober 2023
Wenn ein Michael Düllmann, durch Konversion zusätzlich fanatisierter einstiger Axtschwinger aus dem 68er Bodensatz, vor den Gerichten scheitert in seinem infamen Eingriff in die geschichtliche Wirklichkeit und daher die judenfeindliche Skulptur hoch oben an der Wittenberger Stadtkirche bleibt, kann man nur Beifall spenden. Die angeblichen Gefühle solcher Flachköpfe und ihre angeblichen Verletzungen sollten nur die Klofrau interessieren.

9. Oktober 2023
Gegen die gegenwärtige Judenfeindlichkeit müssen wir ankämpfen. Das kann bedeuten, gegebenenfalls die Sonnenallee räumen zu lassen und Reisekosten zu bezuschussen. Aber die einstige Judenfeindlichkeit ist nicht nachträglich zu ändern, sondern nur zu untersuchen in ihrem Ursachenzusammenhang. Daß im Mittelalter in einer religiös bestimmten Zeit sich die größte Religionsgemeinschaft an der größten gegnerischen Minderheit rieb und sich mit ihr auseinandersetzte, kann nur Naivlinge wundern. Genausowenig erstaunt es, daß bestimmte Anführer der Übermacht immer einmal wieder zu brutalster Gewalt griffen oder daß die Unterlegenen weder auf Provokationen noch auf Gegenwehr verzichtet hatten.

10. Oktober 2023
Man wünscht sich, daß der Mob, der JUDEN INS GAS! brüllt, zumindest durch eine Tränengaswolke erfrischt und zum Beweinen der eigenen Infamie gebracht wird.

11. Oktober 2023
Wenn aber nun die Fackel der Provence nicht ein Licht gibt, das das Jahrhundert erhellt, sondern die Provence verbrennt?

12. Oktober 2023
Wenn die Mullahs endlich gestürzt sind, wird es Volksgerichte benötigen, um unterschiedslose Massaker zu verhindern. Dann kann es erforderlich sein, mit Waffengewalt die Menge zurückzuhalten – so verständlich ihre Wut und ihre Empörung sind.

13. Oktober 2023
Ein Staat ist verloren, der in seinem geschriebenen Recht nicht den Ausdruck seines Lebensrechtes sieht und der Übertretungen duldet.

14. Oktober 2023
In jedem realen und zu realistischem Denken fähigen Land ist ein Ausländer ein Ausländer. Vernünftig ist es für ihn, sich zu sagen, daß er nichts ohne Gegenleistung erwarten kann und er sich nicht einzumischen hat in fremde Dinge. Will er vom Ausländer zum Inländer werden, braucht er einen festen klaren Willen und Geduld während der unerläßlichen Probe- und Bewährungszeit. Erst nachdem diese positiv beschieden ist, ist es auch sein Land.

15. Oktober 2023
Was jemand jetzt tut, ändert nichts an dem, was er getan hat. Aber gerade deshalb helfen die teils verlogenen, teils hilflos-linkischen Schuldbekenntnisse und Entschuldigungen nicht weiter.

16. Oktober 2023
„Ich hatte vergessen, mich aufzuwecken“, sagte der unwillige Soldat, der den Krieg verschlief.

17. Oktober 2023
Bleiben Sie in der Leitung, bis wir ihren Anruf ohne Antwort beenden!

18. Oktober 2023
Die allertollste Erfindung ist, das Dauerverspäten der Züge habe begonnen, seit man digitalisiert habe.

19. Oktober 2023
Immer mehr Kontrolliert-Werden, immer weniger Kontrolle über die Kontrolleure.

20. Oktober 2023
Unsere Erkenntnis- und Lesesplitter entsprechen vollkommen unserer existentiellen Situation in einer prinzipiell nur beschränkt auf dieses und jenes zugänglichen Wirklichkeit.

21. Oktober 2023
Jede Tradition ist nur ein Widerschein einer gewesenen Gegenwart.

22. Oktober 2023
Wer versucht, in der Zeit zurückzugehen, kann nur zu den Toten gelangen.

23. Oktober 2023
Wir fragen gar nicht erst, weil wir sicher sind, die Riesen nicht mehr zu finden. Dafür unendlich viele kleine Leute – Nichtsnutze, die sich selbst zuwider sind.

24. Oktober 2023
Die Momente des Scheiterns sind jene, in denen wir Angriff und Übergriff benötigt hätten, weil wir uns nur dann hätten zusammenreißen und entschließen können. Der stille Ruf, geküßt zu werden.

25. Oktober 2023
Verlust auf Verlust gehäuft. Gerade erst, vor drei oder vier Generationen, das Verschwinden des Erzählens von mündlich Überliefertem (letzter Ausläufer der einstigen diluvialen Sänger der Heldenepen), da beginnen schon die Bücher zu verschwinden und sich aufzulösen in den Surrogatersatz der papierlosen Dateien. Parallel dazu verliert sich die persönliche Handschrift zugunsten normierter, vorgestanzter Zeichen in Allgemeinbesitz.

26. Oktober 2023
Es ist das Elend des Lyrikers, in den Details nicht wie der geborene Prosanotierer klare Linien und reiche Einzelangaben zu erinnern, sondern unter überreichem Vergessen nur ungefähre Formen und gewisse Färbungen zu bewahren. Andererseits helfen diese Defekte beim Verseschmieden.

27. Oktober 2023
In der Vagheit der Erinnerung versuchen wir unsere eigene Vergangenheit zu rekonstruieren.

28. Oktober 2023
Zu begreifen, daß der Nihilismus nicht allein eine Sackgasse ist, sondern daß dieser Abweg zu nichts führt, ist die erste Voraussetzung für die Wende zum Glauben.

29. Oktober 2023
Radikal glauben kann nur, wer, wie Leconte de Lisle sagt, dreifach vom ewigen Nichts durchtränkt ist.

30. Oktober 2023
Wenn die Antifanten ein Minimum an Moral und Kunstverständnis hätten, müßten sie zumindest zugestehen, daß es kein großartigeres Gedicht über Ostpreußen gibt als Agnes Miegels „Es war ein Land“.

31. Oktober 2023
Wie die Türkei werden Polen, Tschechien, Slowenien und Rußland auch noch in hundert Jahren an den Vertreibungen und den Morden leiden.

 zum Seitenanfang