Rolf Stolz     · · ·     Literatur und Photographie

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TAGEHEFT

ZUM TAGEHEFT
In den Tageheften habe ich seit dem 1. Mai 2011 Tag für Tag festgehalten, was mir wichtig war - in einem oder mehreren Sätzen. Hier im Netz sind diese Texte seit April 2013 erschienen. Das erste Tageheft (2011-2012) ist 2016 als Buch erschienen, das zweite (2013-2014) 2017, das dritte (2015-2016) 2018, das vierte (2017-2018) 2019, das fünfte (2019-2020) 2021, das sechste (2021-2022) 2023 (siehe unter AKTUELLES).

1. Mai 2023
Der größte Fortschritt im Leben eines Menschen ist, wenn er nicht mehr versucht, die Frage WER BIN ICH? zu beantworten, ja sie gar nicht mehr stellt.

2. Mai 2023
Wer erwartet Zuneigung von den Regenwürmern und Mitleid von den Zecken? Wir sind immer allein.

3. Mai 2023
Es hinnehmen als den Willen Gottes, daß ein vorsichtiger Engel dich an größten und furchtbarsten Abenteuern hinderte, auch wenn da ein restliches Bedauern bleibt.

4. Mai 2023
Soll man den Tauben Vorwürfe machen, die unter und auf unseren Tischen ihr Futter suchen? Wir liefern ihnen Vorwand und Nahrung. Oder den Ratten, die ohne unseren Müll weiterwandern würden?

5. Mai 2023
Ein kleiner Mann wird, wie groß er sich auch immer fühlen mag, das Gefühl seiner wahren Größe niemals verlieren.

6. Mai 2023
Nur die einstigen Alternativpolitiker können die alten Alternativen effektiv zerstören.

7. Mai 2023
Neid und Mißgunst sind niedere Eigenschaften der Niederen, die sich nicht im Geist erheben.

8. Mai 2023
Gebt den verhinderten Künstlern der Farbpistole weißgekalkte Wände, wo sie sich ausbreiten und austoben können! Dort, nur dort. Für jede ihnen zugebilligte Kunst-Stunde laßt sie zwei Stunden ihre bunten jugendsündigen Umweltverschmutzungen weiß überstreichen.

9. Mai 2023
Was könnte richtig sein in der Kunst, wo alles ein Versuch im Vollenden ist? Mehr oder weniger Mißlungenes im Verlauf in Kauf zu nehmen ist genausowenig falsch wie Versuche, die ein Ziel proklamieren, das sie nicht erreichen werden.

10. Mai 2023
Ein guter Mensch wird keine Abgründe sehen und darstellen können.

11. Mai 2023
Mit der Normalität leben: Die Unwichtigen und Entbehrlichen werden wichtig genommen – die Großen werden übersehen und gehen still vorbei.

12. Mai 2023
Der arme Ralf Rothmann – ein Gefühl für einen gehetzten und gebeugten Menschen, der an nichts glauben konnte, nicht einmal an sich.

13. Mai 2023
Man kann zweifeln, ob Männer das innere Kind zumindest soweit überwinden können, daß sie Jugendträumen von einem Knäuel nackter und allseits verfügbarer Frauen nicht nachtrauern und sie nachspielen.

14. Mai 2023
Du kannst alles sagen, ohne eine Sekunde Angst zu haben, welche Erschütterungen es verursachen wird. Sie werden dich nicht treffen, weil deine Worte dich betreffen.

15. Mai 2023
Ein Haus ist auf Fels oder auf Steine gegründet. Wer würde die Vermutungen, auf denen ein philosophisches System notwendig basiert, als felsigen Grund oder als fest gefügte Steine ansehen?

16. Mai 2023
Sie, die den Herrn nur in ihren Worten, aber nicht im wahren Sinn des Wortes erkennen und anerkennen, nennen ihn BRUDER.

17. Mai 2023
Wir besitzen nicht einmal unseren Glauben, der als Gnade uns übertragen wurde.

18. Mai 2023
Wir müßten unseren christlichen Glauben und uns selbst aufgeben, um Verständnis – diese mildere Form der Zustimmung und der Komplizenschaft – zu haben für die Menschheitsverbrechen der Vertreibung und der Annexionen im Osten Deutschlands, die sich zeitlich anschlossen an das Menschheitsverbrechen der Judenvernichtungen, ohne mit diesen ursächlich verbunden zu sein. Die Polen und die Tschechen hätten bei einer Niederlage eines höchste moralische Maßstäbe einhaltenden Deutschen Reiches nicht anders reagiert und auch eine solche Gelegenheit zu Säuberung und Eroberung genutzt.

19. Mai 2023
Die Geschichte mischt Willkommenes und Unwillkommenes bunt. Dem Wahrnehmen kann man sich verweigern, dem herannahenden Schlitten nicht.

20. Mai 2023
Es sind fast nur Schlafende und Tote, die unbewegt sind und nicht auf Beute lauern.

21. Mai 2023
Man muß akzeptieren, daß die Engländer die deutschen Bombardierungen Londons, die wie ein Blitz aus dem deutschen Gedächtnis verschwanden, nicht so leicht vergessen.

22. Mai 2023
Die Erwartung, für eine gewesene Anerkennung eines längst zumindest vorläufig vollzogenen Tatbestandes demnächst belohnt zu werden, ist äußerst fragwürdig.

23. Mai 2023
Wenn der Verrat unser Schicksal ist, welche Bedeutung hat es dann in einem gegebenen Moment von sich zu sagen „Ich bin ein Verräter“ statt sich zu verlegen auf ein „Der Verrat kam zu mir, um mir zu helfen“?

24. Mai 2023
Mögen sie uns unmündig und Knechte nennen! Eine Schmach wäre es, wenn wir es wären.

25. Mai 2023
Es gibt Verlorene, die sozusagen gar nicht erst anzufangen brauchen. Die roten Aristokraten gehören dazu.

26. Mai 2023
Die Gauleiter, die Koch und Greiser, scheinen Mitleid weniger verdient zu haben. Aber bedürfen nicht der Gnade die mehr, die am weitesten von dieser entfernt sind?

27. Mai 2023
Den Staat als Idee und da, wo er das Volk schützt und dessen Interessen strikt verteidigt, zu erhalten und zu verbessern ist eine zentrale Pflichtaufgabe des Schriftstellers als Tageskämpfer. Dort, wo der Staat anderen und anderem dient, geht es darum, ihn zu unterminieren und zu delegitimieren.

28. Mai 2023
Der Kongo-Müller scheint mir der ideale Bundesminister der Verteidigung: Kampf- und gelderfahren, ein Söldner durch und durch.

29. Mai 2023
Wie willst du etwas werden, da doch niemand auf deiner Seite steht? Warum etwas werden? Ich bin.

30. Mai 2023
Beim Absterben schauen wir uns zu.

31. Mai 2023
Die Kannibalen halten Kannibalismus weder für eine Perversion noch für eine Sünde.

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