TAGEHEFT
ZUM TAGEHEFT
In den Tageheften habe ich seit dem 1. Mai 2011 Tag für Tag festgehalten, was mir wichtig war - in einem oder mehreren Sätzen. Hier im Netz sind diese Texte seit April 2013 erschienen. Das erste Tageheft (2011-2012) ist 2016 als Buch erschienen, das zweite (2013-2014) 2017, das dritte (2015-2016) 2018, das vierte (2017-2018) 2019, das fünfte (2019-2020) 2021, das sechste (2021-2022) 2023 (siehe unter AKTUELLES).
1. April 2024
Wer sich verletzt fühlt, sollte sich still verpflastern.
2. April 2024
Wenn du nicht oder nur schlecht getroffen bist, wie soll dir ein Kunstwerk etwas sagen?
3. April 2024
Der, der auf einem Standpunkt steht, bewegt sich nicht. Der, der eine und nur eine Haltung hat, wird sich nach und nach versteifen.
4. April 2024
Schaut euch das Leben an! Die Zecke, die sich im gerade beginnenden Frühling an der Spitze meines kleinen Fingers festbiß, wollte leben, einfach nur leben.
5. April 2024
Auch die Diebe und Mörder wünschen ehrliche Auskünfte und offene Türen.
6. April 2024
Sie, die davon sprechen, Menschen zu lesen, kennen nicht einmal das ABC des Humanen.
7. April 2024
Die Vielen: Nullenaddition.
8. April 2024
Man muß ausgesprochen volksfeindlich sein, um im Populismus, so fragwürdig er in manchem ist, den Hauptfeind zu sehen und nicht ein Symptom, eine Form der Reaktion auf das Versagen der Herrschenden.
9. April 2024
Zum Wohle aller einen Teil vernichten – das kommt uns doch aus gewesenen Zeiten bekannt vor.
10. April 2024
Es kann nur eine Befreiung sein, einen Menschen von einer ihm widerwärtigen Zugehörigkeit zu befreien.
11. April 2024
Es ist kein Verdienst, aber doch bin ich froh, keine KlimaseniorIn zu sein.
12. April 2024
Sprachverbote führen zum Verstummen. Das kann nur geändert werden, wenn man die Verbote aufhebt und die Verbieter brandmarkt.
13. April 2024
Es läßt sich bestreiten, daß Hitler der Feind allen Lebens war, da er doch seinen Schäferhund liebte und dem Fräulein Braun jedenfalls nicht feindlich gegenüberstand? Daß er seinen Teil der Kunst sehr hoch achtete, Wagner & Company, steht auch fest. All das änderte sowenig etwas an seinem massenmörderischen Charakter, wie es Stalin hilft, daß er ein respektabler politischer Schriftsteller war und, ehe seine geliebte erste Frau an Fleckfieber starb, und in seinen Bankraubzeiten noch kein Auftraggeber für Morde war.
14. April 2024
„Darauf warten die Soldaten“. Warten sie auf die Munition, die sie totschießen wird?
15. April 2024
Wer im Krieg ein Bein verliert … Zumindest ist es wahrscheinlicher, daß er Pazifist wird.
16. April 2024
Kulturelle Aneignung ist das Wesen der Kultur. Wer das bekämpft, will seine (Un)Kultur durchsetzen oder jede Art von kultureller Leistung bekämpfen.
17. April 2024
Hebbel wußte, daß alles Leben Raub ist. Auch die Kunst nimmt, was sie zu fassen bekommt.
18. April 2024
Die Besonderheiten in der Kunst eines bestimmten Künstlers sollten uns bewegen, statt all unser Interesse auf Künstler mit grünen Augen oder einem Klumpfuß zu legen.
19. April 2024
Es gibt Narren, die glauben, man werde durch eine bunte Mütze zum Künstler und durch Homosexualität zum Philosophen.
20. April 2024
Das Überflüssigste ist ein Künstler, der über sich und über die Welt jammert.
21. April 2024
Natürlich stehe ich im Mittelpunkt meines Werks, so oft ich auch in den Kulissen verschwinden mag. Welche Produktivkraft hat ein Künstler außer sich selbst?
22. April 2024
Gut gemacht – dennoch: Gemacht und nicht entstanden und nicht gewachsen.
23. April 2024
Du wurdest verfolgt, du wurdest verachtet? Sei dankbar, das hat dich zu dem gemacht, was du bist.
24. April 2024
Frage doch den Löwen, warum er ausbrach aus dem Gatter, warum er den zerfetzte, der ihn eingesperrt und gefüttert hatte. Frage ihn! Auf die Antwort bin ich gespannt.
25. April 2024
„Meine kleine Welt“ ist eine Tautologie. Niemand hat die Welt.
26. April 2024
Auch der Sklave hat sich und hat mit sich zu tun.
27. April 2024
Wer abstreitet, daß es Identität als zentrale Kategorie gibt, der ist ein Idiot. Wer leugnet, daß es immer zugleich eine wirksame Nicht-Identität gibt – wir sind wir selbst und wir sind es nicht – der ist keinen Deut besser dran.
28. April 2024
Gegen Boykottdemonstranten scheint es mir angemessen, mit faulen Eiern und Stinkbomben ein Zeichen zu setzen.
29. April 2024
Selbst bei den Tieren diskriminieren wir und müssen es tun – etwa zwischen den schönen Feuerwanzen und den gemeinen Bettwanzen.
30. April 2024
Wir benötigen den Gegensatz und die Kämpfe, um uns zu schärfen, aber nur in der Windstille kommen wir zur Ruhe.
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