Rolf Stolz     · · ·     Literatur und Photographie

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MONOLOG EINES RETTERS

Wissen Sie, ich überwinde Menschheitsprobleme. Ach ja, Sie wissen es schon. Aber wissen Sie auch, wie? Nein, natürlich nicht, können Sie auch nicht wissen. Also, ich überwinde Menschheitsprobleme, nicht hauptberuflich direkt, aber in meiner wichtigsten Nebentätigkeit. Kein Amt, kein Geld, keine Ehre, aber ich mache es trotzdem. Für mich? Ja, so für mich, in meinem kleinen Rahmen, aber natürlich nicht nur für mich, sondern auch für die anderen, für die kommenden Generationen. Nein, nein, das ist nichts Großes, was ich mache, aber ich fange immerhin an. Die anderen reden doch nur davon. Ich fange bei mir selbst an, vor der eigenen Haustür, und setze ein Zeichen und gebe ein Beispiel. Ich habe meine Methode, müssen Sie wissen: Ich lerne nur aus meinen Fehlern. Sehen Sie, ich besitze ein Auto, ein ganz gewöhnliches Auto, nicht allzu schwer und nicht übertrieben stark. Der Verbrauch - ganz durchschnittlich. Aber schnell. Das sei kein Fehler, meinen Sie? Naja, wenn Sie meinen. Also mein Fehler war, ich fuhr früher die allerkürzeste Strecke mit dem Auto und die allerlängste und die eine wie die andere so schnell es eben ging. Jetzt ist das vorbei oder sagen wir, fast vorbei. Ich fuhr zweihundert Meter zur Bäckerei, auch bei Sonnenschein, und nach Spanien in einem Rutsch, nur die nötigsten Pausen, gelben Saft rein, gelben Saft raus, weiter. Alles vorbei jetzt, ich bin ganz einfach eine Woche lang jeden Morgen und jeden Mittag zur Bäckerei gefahren und zurück, drei Minuten Fußweg, bis es der letzte Nachbar wußte. Der Erfolg: Ein halbes Jahr lang hat mich niemand in der Nachbarschaft mehr angeguckt, gegrüßt schon gar nicht. Zwei lange Kratzer in den Autolack und einen aufgeschlitzten Reifen gab es, die gerechte Strafe für mich. Ich habe tief in mir drin allen Nachbarn gedankt, daß sie mir geholfen haben, mit mir fertigzuwerden. Dann habe ich die Raserei bei mir abgestellt - ganz allein. Ich habe mir eine kleine Roßkur verpaßt: Einhundertfünfzig gefahren, wo siebzig erlaubt ist, am Radar-Starenkasten vorbei, geblitzt, den Kreisverkehr rund, wieder zurück und das Spiel noch einmal. Undsoweiter, bis das zehnte Foto geschossen war. Die Strafe vierstellig natürlich, und schon nach drei Wochen. Mit einem Streifenwagen wurde das Einschreiben zugestellt. Sozusagen geregelter Entzug: Der graue Lappen ist ein halbes Jahr weg. Wissen Sie, was ich den Beamten gesagt habe? „Sie kommen zum Richtigen,“ habe ich gesagt. „Das werde ich nie wieder machen, das wird nicht mehr passieren.“
Eines bleibt noch, die böse Sache mit den langen Strecken. Sehen Sie, da muß ich die Behandlung verschieben, mangels Führerschein. Aber für den Herbst ist alles arrangiert. Cola in Dosen, Würstchen aus dem Glas, Tubensenf, Kaffeebohnen zum Kauen, stangenweise Zigaretten - alles längst gehortet und gepackt. Ich werde eine kleine Reise machen. Bis Beirut nonstop, natürlich über den Autoput, bei den Skipetataren lang und durch's wilde Kurdistan. Und kurz vor dem „Beirut-Hilton“ werde ich aussteigen. Die letzten Meter werde ich zu Fuß gehen, zur Not auf allen vieren. Dann: Ich gebe einem Vermummten ein paar Dollar, daß er mein Auto in die Luft jagt, und trampe zum Flughafen. Keine ganz dumme Methode, was? Und wirksam. Wenn es alle so machen würden wie ich, wäre die Menschheit ein Stück weiter.

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