Rolf Stolz     · · ·     Literatur und Photographie

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I. M. I.-H. I. W. S.

Wenn der Gauleiter sagt,
daß die Front hält,
glaube ihm nicht.
Wenn der Ortsgruppenleiter sagt,
daß die Front halten wird
und der Bürgermeister ihm nachspricht
„Die Front muß halten“,
glaube ihnen kein Wort.

Sie wird nicht halten, die Front,
und der, der den Krieg begann,
muß ihn nicht beenden
und wußte
als er den Sieg euch versprach,
er würde verlieren, alles verlieren,
und er bekam auch,
was er wollte –
den eigenen Tod
und ein Grab in der Luft und den Zügen

und wenn sie dir nahelegen
in die Luftschutzräume umzuziehen,
folge ihnen nicht,
fliehe
hinab in die Wälder
hinab
unter den Meeren hindurch,
ihre Worte
sind wie der kalte Hauch
des Leichenatems –
die Bomben fallen,
wo die Städte waren
und niemand wird vernichten können
all die winzigen Tiere
zwischen den Wimperschlägen
und dem verlandenden Moor,
niemand.

Ob dein Ende
das Ende aller Dinge ist,
was kümmert es dich,
ob nach soviel Abbruch
noch eine der Frauen
in Wehen sein wird,
wird keiner dich fragen.

Frage nicht
was danach kommt –
nach dir
kommst nicht du
und ob ein anderer
etwas aufsucht von deinem Restbestand
am Rande der Straße
wird sich nicht klären lassen.

Frage nicht,
welche Nichtigkeiten noch kommen werden
nach dem großen Nichts,
laß es gut sein damit
daß du nicht mehr vermochtest
als alles zu lassen,
wie es ohne dich war
und daß auch
goldener Müll Müll ist, auch
Diamantmüll.

In den Zeiten des Feuers
ist es das Beste,
selbst zu verbrennen
oder zuvorkommend zu sein,
eine eisige Asche.

Gott selbst sagt derzeit
manchmal die Wahrheit
wenn es seine Gnade erlaubt
und manchmal lügt er uns vor
aus purer Gnade
daß uns noch Zeit bliebe
bis zum Gnadenschuß, Zeit sogar
um frei zu fliehen
und zu leben noch
für einen Sekundenteil.

***